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Internationale AIDS-Konferenz: Erstmals in München

15.07.2024

Vom 22. bis 26. Juli findet die „25th International AIDS Conference“ statt. Wir fragen LMU-Expertinnen und -Experten nach dem Stand der Forschung und ihrer Arbeit mit HIV und AIDS.

Diesen Sommer kommen Menschen aus aller Welt zur Internationalen AIDS-Konferenz zusammen – zum ersten Mal in München. Rund 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 175 Ländern werden bei der weltweit größten sozialpolitischen und zivilgesellschaftlichen Wissenschafts-HIV-Konferenz erwartet.

Die rote Schleife ist ein Zeichen der Solidarität mit Menschen, die an AIDS erkrankt oder HIV-positiv sind.

Die rote Schleife ist ein Zeichen der Solidarität mit Menschen, die an AIDS erkrankt oder HIV-positiv sind.

© Picture Alliance | Panama Pictures Dwi Anoraganingrum

Die Welt-AIDS-Konferenz 2024

Professor Johannes Bogner ist Infektiologe und Leiter der Abteilung für Infektiologie am LMU Klinikum. Er war maßgeblich an der Bewerbung des Konferenzstandorts München beteiligt.

„HIV ist noch immer ein globales Problem mit ungefähr 40 Millionen Betroffenen. Obwohl es inzwischen hervorragende Prävention und Aufklärung gibt und modernste Diagnostik inklusive Selbsttest zur Verfügung steht, sind doch jedes Jahr mehr als 1,3 Millionen neue Infektionen zu verzeichnen – in Deutschland etwa 2.000. Der Kampf gegen das HI-Virus ist also noch nicht gewonnen. Es bedarf weiterer Verbesserungen durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und auch durch neue Medikamente.

Um hierfür den Austausch zu ermöglichen, wird vom 22. bis zum 26. Juli 2024 die 25. Welt-AIDS-Konferenz (AIDS2024) stattfinden. Ab dem 21. Juli 2024 ist das für die Öffentlichkeit kostenfrei zugängliche Global Village zu Gast. AIDS2024 ist die wichtigste politische und wissenschaftliche Konferenz im Kampf gegen HIV und wird von der Welt-AIDS-Gesellschaft (IAS) veranstaltet. Wir sind stolz und glücklich, dass es uns zusammen mit Professor Christoph Spinner von der Technischen Universität München gelungen ist, diese Konferenz erstmals nach München zu holen.

In über 40 Symposien werden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in sechs verschiedenen Kategorien geteilt und diskutiert. Es werden um die 15.000 Delegierte erwartet und auch der ein oder andere namhafte Politiker, Vertreterinnen des öffentlichen Lebens sowie Künstler werden auf der Konferenz und im Global Village anzutreffen sein.“

Soziologische Perspektiven

Hella von Unger ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt „Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung". Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Soziologie von Gesundheit und Krankheit. Seit den 90er-Jahren forscht sie auch an HIV/AIDS.

„Seit Beginn der Epidemie vor über 40 Jahren ist klar, dass HIV/AIDS weit mehr als nur ein gesundheitliches und medizinisches Problem darstellt – es war und ist immer auch ein soziales Problem. Die Aufmerksamkeit für die sozialen Dimensionen schärft das Bewusstsein für die Reproduktion sozialer Ungleichheiten. Ein Beispiel ist die anhaltende Bedeutung von Gender-Aspekten: Frauen, Männer, non-binäre und Transpersonen sind unterschiedlichen Risiken und Stigmatisierungen ausgesetzt, was spezifische präventive, unterstützende und gesellschaftlich transformierende Maßnahmen erfordert. Gender ist dabei mit anderen Differenzkategorien wie Sexualität, soziale Schicht und Ethnizität verflochten.

Besonders hervorzuheben ist die Rolle der Zivilgesellschaft in der Entstigmatisierung von HIV/AIDS – global und auch in Deutschland. Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe leisten entscheidende Aufklärungsarbeit und unterstützen Betroffene, wodurch Vorurteile abgebaut werden und ein offenerer Umgang mit der Krankheit gefördert wird. In Deutschland war die Kooperation von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren ein wesentlicher Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung der Epidemie. Dies zeigt, wie wichtig die Integration von staatlichen Maßnahmen und zivilgesellschaftlichem Engagement ist, um lebensweltnahe Unterstützung, Zugang zu Behandlung und Community-basierte Prävention zu gewährleisten.

Trotz großer Fortschritte besteht weiterhin Handlungsbedarf: Es ist essenziell, die Präventionsarbeit zu intensivieren, Zugang zu medizinischer Behandlung zu erleichtern und marginalisierte Gruppen stärker einzubeziehen. Nur durch ein fortgesetztes Zusammenspiel von medizinischen, sozialen und gesellschaftlichen Maßnahmen kann die HIV/AIDS-Epidemie auch global effektiv bekämpft und soziale Gerechtigkeit gefördert werden.“

Ein Plakat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für die Risiken der Immunschwächekrankheit Aids

Jahrzehnte der Aufklärung

Über 30 Jahre klärte die Kampagne „Gib AIDS keine Chance“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über HIV und AIDS auf. Inzwischen heißt sie „LIEBESLEBEN".

© picture alliance / ZB | Peter Endig

Prävention und Aufklärung

Dr. Stefan Zippel leitet die Psychosoziale Beratungsstelle an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie. 2003 hat er ein Präventionsprojekt gestartet, das an weiterführenden Schulen in Bayern über HIV-Infektionen und sexuell übertragbare Krankheiten aufklärt.

„Bis Mitte der 90er-Jahre war AIDS nicht nur ein Krankheitsbild, sondern auch ein Stigma. In der Beratung musste das berücksichtigt werden. Sie war herausfordernd, ging es doch nicht nur um Informationsvermittlung, sondern um die großen Tabuthemen Sterben, gesellschaftlich nicht akzeptierte Sexualität und Sucht.

Mit den Erfolgen der Kombinationstherapien änderte sich auch die Beratung – weg von der Sterbebegleitung hin zu einer Stärkung des Therapiemanagements. Prävention erfordert klare Information über die Übertragungswege, das heißt sich nicht zu scheuen, eindeutige Worte zu sexuellen Praktiken zu benutzen. Aber die Solidarität darf dabei nie vergessen werden, denn: Ausgrenzung macht krank!

Nur wer sich in seiner Person, seiner sexuellen Identität akzeptiert erlebt, wird Präventionsbotschaften hören und umsetzen können. Zu Beginn der AIDS-Pandemie wurde diese Erkenntnis gesellschaftspolitisch nicht immer berücksichtigt. Es besteht die Gefahr, dass wir die Prävention vernachlässigen. Dabei wird vergessen, dass jedes Jahr Jugendliche neu ihre Sexualität entdecken. Mag die HIV-Infektion in reichen Ländern keine lebensbedrohende Gefahr mehr darstellen, so treten jetzt andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) stärker in den Vordergrund. Diese beeinflussen das Leben und die Lebensplanung vieler Menschen negativ.“

Impfstoffe gegen HIV

Multimediastory über Viren, Zoonosen und Pandemien

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Dr. Arne Kroidl ist Facharzt für Innere Medizin und Leiter der Abteilung HIV und Koinfektionen am Institut für Infektions- und Tropenmedizin.

„Die Entwicklung eines Schutzimpfstoffs gegen HIV ist ein wichtiges Präventionsziel im weltweiten Kampf gegen die HIV/AIDS-Pandemie. Trotz mehr als 30 Jahren Forschung gibt es jedoch noch immer kein wirksames HIV-Vakzin. Bislang konnte nur eine einzige Studie eine moderate Schutzwirkung unter Verwendung eines HIV-Impfschemas aus viralen Vektoren und rekombinanten Proteinen nachweisen. Seither wurden umfassende Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen mit verschiedenen viralen Vektor-/Protein-basierten Verfahren in HIV-Hochrisikopopulationen durchgeführt, die jedoch aufgrund mangelnder Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen wurden. Dazu gehört auch die jüngste, kürzlich eingestellte DNA-/Virusvektor-/Protein-basierte PrePVacc-Wirksamkeitsstudie, deren Ergebnisse auf der AIDS-Konferenz in München vorgestellt werden.

Das Tropeninstitut beteiligt sich seit über 20 Jahren an der HIV-Impfstoffforschung in Afrika in Zusammenarbeit mit europäischen, US-amerikanischen und afrikanischen Partnern, die zur Gründung des PrePVacc-Netzwerks geführt hat. Die Zusammenarbeit umfasst die Durchführung klinischer Studien und die immunologische Analyse von Zusammenhängen zwischen Impfstoffimmunität und Impfschutz, die an unseren afrikanischen Partnereinrichtungen durchgeführt werden.“

Indien: Ein junges Mädchen hält ein Plakat mit einer roten Schleife mit der Aufschrift Say No To AIDS während des Welt-AIDS-Tages, der seit 1988 jedes Jahr am 1. Dezember stattfindet.

Welt-AIDS-Tag in Indien

Aktivisten halten Plakate mit einer roten Schleife mit der Aufschrift "Say No To AIDS". Der Welt-AIDS-Tag wird seit 1988 jedes Jahr am 1. Dezember begangen.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Avishek Das

Die Lage im Globalen Süden

Professor Michael Hoelscher ist Direktor des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum.

„Nach mehr als vier Jahrzehnten des Kampfes gegen HIV/AIDS sind wir immer noch mit der Aufgabe konfrontiert, für Länder mit knappen Ressourcen Unterstützung zu mobilisieren sowie die Prävention und Therapien zu verbessern, insbesondere für die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Das Tropeninstitut München setzt sich weiterhin für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Globalen Süden ein.

In den vergangenen 35 Jahren haben wir gemeinsam mit unseren langjährigen Partnern in Tansania, Äthiopien und Mosambik zahlreiche Studien durchgeführt, um bessere monoklonale Antikörper, Impfstoffe, Diagnoseinstrumente und Behandlungsprotokolle für Mütter und ihre Neugeborenen zu entwickeln. Außerdem konzentrieren wir uns auf die Verbesserung der Behandlung von Tuberkulose, der häufigsten Todesursache bei HIV-Infizierten.

Unsere Forschung zielt auch darauf ab, bisher unbekannte Risikofaktoren wie etwa Infektionen mit parasitären Würmern aufzudecken, die zur Ansteckung mit HIV beitragen. Durch die Behandlung dieser Koinfektionen können wir die HIV-Belastung möglicherweise verringern. Das Tropeninstitut München führt diese wichtige Arbeit in Zusammenarbeit mit globalen Partnern durch, darunter das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Deutschland sowie Institutionen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten.“

HIV bei Kindern

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Arne Kroidl: „Das Ziel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung sieht vor, dass es bis 2030 keine neuen HIV-Infektionen bei Kindern mehr geben soll. Die HIV-Neuinfektionen bei Kindern sind von 2010 bis 2020 um mehr als die Hälfte zurückgegangen, was in erster Linie auf die verstärkte Bereitstellung einer antiretroviralen Therapie für schwangere und stillende Frauen, die mit HIV leben, und die postnatale prophylaktische Behandlung von Säuglingen zurückzuführen ist. Nach wie vor leben schätzungsweise 1,5 Millionen Kinder im Alter bis zu 14 Jahren mit HIV, und noch immer werden jedes Jahr 130.000 Säuglinge neu infiziert. Ohne sofortigen Zugang zu lebensrettender HIV-Behandlung ist die Säuglingssterblichkeit hoch.

Das Tropeninstitut München leitet das Netzwerk LIFE – in Zusammenarbeit mit afrikanischen und europäischen Partnern werden klinische Studien für HIV-infizierte Mütter und ihre Säuglinge in Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung in Tansania und Mosambik durchgeführt. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf dezentrale neonatale HIV-Tests und -Therapien, die Identifizierung von Hochrisikofällen für eine vertikale HIV-Übertragung und die Senkung der Kleinkindsterblichkeit. Außerdem werden neue präventive und therapeutische Strategien im Zusammenhang mit der Entwicklung von breit neutralisierenden Antikörpern untersucht.“

Welt-AIDS-Konferenz 2022 in Montreal

Die Welt spricht über AIDS

Im Jahr 2022 fand die Internationale AIDS-Konferenz in Montreal statt.

© IMAGO / ZUMA Press

Leben mit HIV und Behandlung von Erkrankten

PD Dr. Maximilian Münchhoff ist Gruppenleiter am Max von Pettenkofer-Institut für Virologie und dem Genzentrum der LMU. Für seine Forschung an HIV/AIDS wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) mit einem Forschungspreis ausgezeichnet.

„Dank intensiver Forschung konnte über die letzten Jahrzehnte die Behandlung HIV-positiver Menschen immens verbessert werden. Die antiretrovirale Kombinationstherapie (ART) mit modernen Substanzen zeigt nur noch wenige Nebenwirkungen und kann unkompliziert als eine einzelne Tablette pro Tag eingenommen werden.

Jedoch stellt diese Therapie keine Heilung dar, sodass die Patienten auf eine lebenslange regelmäßige Einnahme ihrer Medikamente angewiesen sind. Aktuelle Entwicklungen zielen darauf ab, durch lang wirksame Medikamente, die teils auch als Injektionen im Abstand von mehreren Monaten verabreicht werden können, die Therapie noch weiter zu vereinfachen.

Durch die antiretrovirale Therapie haben Menschen mit HIV-Infektion eine nahezu gleich hohe Lebenserwartung wie HIV-negative Personen, wobei eine anhaltende Stimulation des Immunsystems mit daraus resultierenden entzündlichen Prozessen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs ungünstig beeinflusst. Die flächendeckende Verfügbarkeit der modernen antiretroviralen Substanzen im globalen Süden bleibt eine Herausforderung.“

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